Warum wird man eigentlich Supertalent-Kandidat? Die Motivation der einzelnen Talente, sich auf der Bühne vor Thomas Gottschalk, Michelle Hunziker und Dieter Bohlen zu beweisen, könnte unterschiedlicher nicht sein. Da sind die klassischen «Ich-will-unbedingt-ins Fernsehen»-Typen, bei denen man stetig das Gefühl hat, dass sie jeden Auftritt, den RTL ihnen vorgeschlagen hat, absolviert hätten. Egal, wie abstrus er auch sein möchte - beispsielsweise Nadine Cevik, seit gestern besser bekannt als Miss Unna der Jahre 2010, 2011 und 2012.
Dann gibt es - meist passend angeworbene - Talente, die sich bereits in anderen Castingshows probiert haben und so, wie einst die fahrenden Spielmannsleute, von Talentshow zu Talentshow, von Sender zu Sender, manchmal sogar von Land zu Land tingeln und mit Akrobatik-, Zauber- und Gesangsnummern für ordentlich Action sorgen. In die gleiche Kategorie fallen gescheiterte RTL-Eigengewächse, die zur Resteverwertung immer noch einmal dienlich sein können. Aktuelle Beispiele der 2012er-Staffel: Juliette Schoppmann (Ex-DSDS), Benni Herd (Ex-DSDS) und Sibel Cam (Ex-DSDS).
Doch die wahren Lieblinge der Produktionsfirma, der Jury und meist auch des Publikums sind die Teilnehmer, die dem Tod schon einmal knapp von der Schippe gesprungen sind, die einen Familienangehörigen vorweisen können, der just im Moment der Ausstrahlung mit dem Sensenmann ringt oder die selbst so schwer vom Leben gezeichnet sind, dass sie nur dank ihres Talents nicht gänzlich abgestürzt sind. Wer diese Vorraussetzungen erfüllt, zwei von drei Tönen treffen kann, nicht nach Superstar, sondern nach Otto-Normal-Verbraucher aussieht, schafft den Sprung in die Supertalent-Liveshows mit hoher Wahrscheinlichkeit. So wie Karlheinz Franz und Rafael Cavero - die Kandidaten zwischen Depression und Alzheimer.
Der 48-jährige Karlheinz Franz ist selbständiger Marketingkaufmann und hatte durch seine Firma viel Stress und wenig Zeit für seine große Leidenschaft – die Musik. Doch genau das machte ihn krank. Karlheinz litt an Depressionen - und nur der Traum, einmal auf einer großen Bühne zu stehen, ließ ihn gegen sein Leid kämpfen. Supertalent-Teilnahme auf Rezept sozusagen. Mit seinem mittelprächtigen Liedvortrag von Elton Johns Welthit Your Song und seinem Krankheitsrührstück auf der Bühne klopft er Michelle Hunziker sogar so weich, dass sie den Goldenen-Stern-Buzzer drückt und Karlheinz direkt ins Halbfinale votet.
Auch Operettensänger Rafael Cavero schafft es mit traurigem Blick, herzergreifender Geschichte und gutem Gesang eine Runde weiter. Sein Vater, einst Tenor, leidet an Alzheimer und ringt nun mit dem Tod. Für ihn will Rafael Cavero jetzt singen, weil er seine Inspiration war. Dass sich ein Kandidat mit einer vermeintlich bewegenden Geschichte im Gepäck meist besser verkauft als ohne, gilt beim Supertalent als Grundregel. Für Rafael lohnt sich der Auftritt in jedem Fall, Familiengeschichte hin oder her.
Nach seinem Auftritt ergreift Michelle Hunziker das Wort: «Du hast den Stoff für ein Supertalent», schwärmt die Jurorin. «Ich glaube, dass du der beste Operettensänger bist, den wir bei Das Supertalent je hatten», lobt Poptitan Dieter Bohlen und auch Thomas Gottschalk ist überzeugt: «Mit dem richtigen Stoff, wie Michelle es nennt, würde ich dich gerne wiedersehen.» Nur dann bitte ohne Tränennummer, möchte man ergänzen.
Quelle: News - Medien News - «Supertalent 2012» - Kandidaten zwischen Depression und Alzheimer
Foto: (c) RTL / Andreas Friese | Alle Infos zu „Das Supertalent“ im Special bei RTL.de