Wie sagt man? Kinder und Verrückte haben immer einen Schutzengel. Beim Supertalent hat letzterer zwar genug Kraft, dem Pferd - oder besser: dem Mann im Lederpferdekostüm auf scheinbar echten Hufen - den Hals zu retten. Nur reicht die Energie dann nicht mehr, um auch noch Fortuna zu bestechen. Gruselstunde, Fetisch, Erotikfantasie? Was die Nummer sollte, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Der Pferdemann lässt die Jury um Antwort regelrecht betteln, ohne einen Ton von sich zu geben. Doch zumindest bei Michelle Hunziker weckt er damit wilde Fantasien: «Du liebst es, wenn man dich reitet, lobt und bestraft und striegelt? Ist das wirklich wahr?» Die Antwort bleibt dem Publikum glücklicherweise erspart.

Und es gibt Supertalent-Kandidaten, die solche Gruselmomente schnell vergessen machen. Wie die African Brothers mit knackigem Eight- statt Sixpack. Die Jungs müssen die Hose nicht runter lassen, um in die nächste Runde einzuziehen. Feurige Spiele an der Limbo-Stange und mit hinterm Kopf verknoteten Beinen genügen vollkommen, um Dieter Bohlens Mund offen stehen zu lassen. Auch wenn der es einfach nicht lassen kann, die Ghanaer mit dummen Witzen à la «Ich hab am Anfang ja ein bisschen schwarz gesehen» in die nächste Runde zu schicken.

Doch in Sachen dumme Sprüche steht ihm auch Thomas Gottschalk nicht nach. Wie bei der vollschlanken Moskoviterin Abdullaeva Dilorom, die erst im strengen Nanny-Kostüm auf die Bühne kommt, um es sich dann vom Leib zu reißen und am Akrobatikreifen durch die Luft zu turnen. «It's difficult, wir sprechen da von dicker Luft in Deutschland», lässt Gottschalk hören. Den Fettnapf hat er getroffen, ein «Beth Dito der Lüfte» macht es nicht besser. Denn am Ende sind sich Bohlen und Gottschalk einig: «Genau deswegen ist Miss Piggy in der Muppet Schow, weil sie eine lustige Dicke ist.» Wo ist bloß Gottschalks Charme geblieben? Andererseits: Wer beim Supertalent auftritt, darf keine diplomatischen Bewertungen erwarten.

Und so, wie die Sprüche mal mehr, mal weniger witzig sind, entwickelt sich die ganze Sendung zu einer Mischung aus himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Mal geht es ganz brav. Wie bei Max Reimer, der ein Stotterproblem hat, aber mit stotterfreiem Popgesang gepaart mit Violinenspiel, die Jury von sich überzeugt. Und dann kann Dieter Bohlen einfach nicht an sich halten und in Erinnerungen an Thomas Anders schwelgen.

Dann kann man wieder nur noch abschalten. Wie beim Hinterngewackel von Natascha Lorenz. Assoziationen zu einem bestimmten Gewerbe bleiben nicht aus. Und die Sache hat ein Gruselpotenzial, dass es Quotenblondine Michelle Hunziker unter den Tisch treibt. Thomas Gottschalk geht die Nummer so sehr am Hintern vorbei, dass er selbigen nutzt, um die Supertalent-Anwärterin eiskalt auszubuzzern. Die Sache hat am Ende nur ein Gutes: Dieter Bohlen lüftet ein Geheimnis, dass das Publikum die Augenbrauen hochziehen lässt. Michelle, so sagt der Poptitan, könne die Nummer nicht bringen, wo doch ihr «Hintern so knochenhart» sei. Woher er das wohl weiß?

Wer da noch nicht überzeugt ist, dass das Supertalent Trash-TV ist, der bekommt es dann Schwarz auf Weiß serviert. Die Müllmänner kommen - und sacken die Casting-Show ein. Jaochim Dölker und seine Band, die Groove Onkels beweisen: Das Supertalent ist Müll. Zur Abwechslung aber mal cooler Müll. Die Groove Onkels sind das deutsche Pendant zur Blue Man Group. Sie trommeln auf Müll und Flaschen - und haben so viel Spaß dabei, dass nicht nur das Publikum völlig elektrisiert im Takt mitzappelt, sondern auch Michelle Hunziker total abgeht.

Mehr Spaß an seiner Nummer hat an diesem Abend kein einziger Kandidat. Und eigentlich braucht die Truppe um Joachim Dölker, seines Zeichens Dozent an der Hochschule für Musik in Osnabrück, das Supertalent gar nicht. Allerhöchstens um für sich Werbung zu machen, denn Stadtfeste und Festivals rocken die Groove Onkels mit ihrer Nummer garantiert auch ohne Bohlen und Co.

Doch leider hat das Supertalent damit sein bestes Pulver verschossen. Den Rest der Casting-Show hätte sich RTL dann für diesen Abend getrost sparen können. Die Gesangseinlagen von Laura Pinski und Ronnie Drescher sind zwar - dank ihrer persönlichen Schicksale - emotional anrührend. Und eine Ladung Peinlichkeit gibt es von drei rappenden Checkern, die nichts drauf haben. Selbst die Zirkusnummer von Amelie und Thomas keine Chance mehr. Obgleich sie die Jury und das Publikum staunen lässt, weil sie mit verbundenen Augen errät, was er dem Publikum an Gegenständen abnimmt. Und weder Dieter Bohlens noch Michelle Hunzikers gesundes Misstrauen entlarvt das Pärchen. Der Trick bleibt beim Supertalent ungeklärt.

Quelle: News - Medien News - «Supertalent 2012» - Müllmänner sacken Bohlen und Gottschalk ein

Foto: (c) RTL / Andreas Friese | Alle Infos zu „Das Supertalent“ im Special bei RTL.de