Es ist geradezu rührend, wenn Popstars-Juror Ross Antony gegen seine Tränen ankämpft und mit stockender Stimme flüstert: «Ich will ihr das nicht antun. Ich will sie beschützen. Bis hierhin musste ich in diesem Business so viel Scheiße erleben, und ich weiß nicht, ob sie stark genug ist, sowas alles auszuhalten.» Es geht um die 17-jährige Kimberley, die bei Popstars 2012 darum kämpft, in den Recall zu kommen.

Diese Szene ist bezeichnend für das Comeback der Mutter aller Castingshows. Popstars 2012 ist nett. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist sehr sympathisch, wie die vier Juroren Detlef D! Soost, Ross Antony, Lucy Diakovska und Senna Guemmour da nebeneinander sitzen und ihren Möchtegernsängern ganz freundlich ihre Meinung sagen, manchmal mit ihnen scherzen, sie anfeuern, um das Beste aus ihnen herauszuholen.

Es ist schon ein bisschen ungerecht. Eine echte Zwickmühle. Sind die Juroren wie Dieter Bohlen bei Deutschland sucht den Superstar taktlos und mit ihren Kommentaren allzu oft unter der Gürtellinie, lässt die Medienschelte nicht lange auf sich warten. Sind sie zu nett, ist es aus Unterhaltungssicht noch schlimmer. Denn nett ist langweilig. Und Langeweile nehmen Zuschauer in der Regel äußerst übel.

Pro Sieben hat, um mehr Spannung ins Format zu bringen, an den Regeln der Show geschraubt: Ein neues Punktesystem soll die Bewertungen der Kandidaten nachvollziehbarer machen. Wer acht Punkte erreicht, kommt eine Runde weiter in den Recall. Dort müssen die Kandidaten in Vierergruppen zeigen, dass sie Teil einer Band sein können. Wirklich spannend - Sie ahnen es bereits - ist das jedoch auch nicht. Wenn zwei Juroren ihre Punkte (sie können von 1 bis 3 wählen) vergeben haben, ist der Rest meist nur noch Formsache.

Natürlich steht Pro Sieben dem Konkurrenten RTL in nichts nach und zeigt auch die üblichen talentfreien Casting-Verlierer. Und an dieser Stelle wird das grundsätzliche Problem des Formates «gute alte Castingshow» sichtbar: die Zuschauer haben sich einfach sattgesehen. Mit peinlichen Kandidaten lässt sich heutzutage kein Blumentopf mehr gewinnen. Spätestens The Voice of Germany hat gezeigt, dass Zuschauer etwas Neues wollen. Echte Spannung, echte Ausnahmetalente. Popstars 2012 wird das - wie es bisher aussieht - nicht ansatzweise leisten können. Es ist eben ein zehn Jahre altes Format: aus Nostalgie und Sympathie nett anzuschauen. 

Übrigens: Die 17-jährige Kimberley hatte es trotz des Muttergefühlsausbruchs bei Ross Antony in den Recall geschafft. Dort scheiterte sie jedoch - an Ross, der ihr einen Punkt zu wenig gab. Trotzdem haben sich in Folge eins von Popstars 2012 immerhin vier potenzielle Popstars ihr Ticket für die nächste Runde, den Workshop auf Ibiza, ersungen. Mit dabei sind Scarlett (20), Züleyha (25), Allessio (20) und Gianina (20).

Quelle: Nachrichten - Medien Nachrichten - «Popstars 2012» - Viel Pop, wenig Star 

Foto: ProSieben